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Ein Interview mit Herrn Klaus Schiller.
Lehrer für Mediengestaltung, Informatik und Arbeitslehre an der Brüder Grimm Schule in Frankfurt am Main.


Herr Schiller, Sie unterrichten Mediengestaltung, Informatik und Arbeitslehre an der Brüder-Grimm-Schule und haben im Schuljahr 2021/22 das Projekt „Zeig‘, was Du kannst“ für die 9. Klassen konzipiert und durchgeführt. Was war Ihr Motiv?
Ein Signal setzen in der Zeit nach dem Wechsel-und Hybridunterricht in der Pandemie.
Den Schülerinnen und Schülern Mut machen.
Bitte beschreiben Sie die Ziele des Projektes
Einerseits: Erwerb und die Erweiterung von Kompetenzen in der Berufs- und Studienorientierung, also der BSO.
Gleichzeitig: Förderung der Medienkompetenzen der Schülerinnen und Schüler. Gespräche mit den Eltern zu führen, Interviews mit Expertinnen und Experten aus der Berufswelt zu formulieren.
Die 60 Schülerinnen und Schüler, die bei diesem Projekt mitgemacht haben sollten, je nach ihren Kenntnissen und ihren Fähigkeiten, in Teams oder auch alleine, ein Thema ihrer Wahl entwickeln. Dranbleiben! Bis zum erfolgreichen Abschluss.
Und Lust und Spaß sollte es auch machen – soweit es die kniffligen Hygienepläne zuließen.
Welche Bedeutung hat die Berufsorientierung für die Schülerinnen und Schüler der 9. Klassen?
Die Frage „Was will ich werden?“ ist ja für die meisten Mädchen und Jungen noch völlig abstrakt. Etwa wie eine black box, wo man staunend und fragend davorsteht. Wir waren froh und ein wenig stolz, dass wir im Juni 2021 für alle fünf Klassen der Jahrgänge 8 und 9 das Betriebspraktikum stemmen konnten.
Erst so erhielten viele Schülerinnen Schüler für zehn Tage ja erste Einblicke in die Arbeitswelt. Gerade in Krisenzeiten wie der Corona-Pandemie.
In der neunten Klasse findet doch der wichtige Prozess des „Was will ich überhaupt?“ statt. Die Kinder sind mitten in der Powerphase – oder in der Verzweiflung. Also voll auf der Suche!
Diese Phase, sich dann noch neben „dem Traumberuf“ einen Wunschberuf vorstellen zu sollen, zu können, ist herausragend wichtig. Und anstrengend für Alle!
Wie sind Sie vorgegangen, um den Schülerinnen und Schülern eine Vorstellung von bestimmten Berufen zu vermitteln?
Ich habe einfach geredet und gepredigt: Suchen. Finden. Mut haben und Kontakt aufnehmen. Zeig‘, was du kannst!
Wie sonst haben Sie, habe ich die Arbeitswelt erkundet?
Zwar führen die gesundheitliche Sicherheit und die Hygieneregeln mehrfach zu Absagen und zeitlichen Verzögerungen, was Betriebsbesuche betraf. Aber, unsere Lösung lautete: Analog, digital – egal! Führe ein Telefoninterview mit dem Chirurgen oder der Pfarrerin, bereitet eine Videoschalte mit der Kriminalkommissarin der hessischen Polizei vor, filmt die Oldtimer in der Klassikstadt und sprecht dazu euren Text auf die Tonspur.
Eine wichtige Unterstützung war hierbei das Medienzentrum Frankfurt, weil ich hier im Vorfeld konkrete methodische Schritte und den technischen Bedarf besprechen konnte.
Natürlich spielt in solchen WPU-Kursen der komplette Kanon von Recherche, Auswertung bis zur Präsentation eine tragende Rolle. Da sind die gängigen Quellen, zum Beispiel die Steckbriefe auf berufenet der Arbeitsagentur, gute Websites von kleinen und mittleren Unternehmen und Portraits öffentlicher Dienstleister wie der VGF und Mainova. Besuche beim Berufsinformationszentrum, dem BIZ, und Unterrichtsgänge zu unseren Kooperationspartner Continental, Samson und Brandenburg fielen aber allesamt aus.
Also: Erfinderisch sein!
Welche Rolle spielt die Medienkompetenz und das Verständnis digitaler Medien für die Schülerinnen und Schüler im Rahmen dieses Projektes?
Es ist heute, in der Zeit der sozialen Netzwerke eine Abstimmung mit den Füßen: Motivierte, medienaffine Schülerinnen und Schüler machen heute ihr Ding, wenn, ja wenn sie wissen, wie sie ihren Inhalt, neudeutsch content, kreativ umsetzen können.  Medienkritik und Medienkunde, Mediennutzung und Mediengestaltung sind ja immer noch im Kern die vier Säulen der Medienkompetenz nach Dieter Baacke. Diesen theoretischen Überbau können junge Menschen in der neunten Klasse noch nicht komplett erfassen. Das ist dann die Aufgabe von guten Lehrkräften, diese Aspekte an passender Stelle zu vermitteln.
Das Projekt wurde im Rahmen des Schulformates eines Wahlpflichtunterrichts (WPU) organisiert. Warum haben Sie diesen Rahmen gewählt?
Das Schulformat Wahlpflichtunterricht bietet Freiräume und Freiheiten, die in den meisten Lehrplänen der Haupt- und Nebenfächer natürlich so nicht möglich sind. Bei WPU`s kann man es tatsächlich besser. Voraussetzung sind engagierte Lehrkräfte, die zeitlich freie Ressourcen besitzen.
Denn: Projektarbeiten und Produktionsphasen mit Kreativität, Phantasie, Versuch & Fehler, Erfolg und Misserfolg benötigen einfach: Zeit und Personalressourcen. Das ist der springende Punkt.
Ich habe verstanden, dass Ihnen Zusammenarbeit der Schülerinnen und Schüler für dieses Projekt wichtig war. Die drei 9. Klassen umfassen insgesamt 60 Schülerinnen und Schüler. Wie haben Sie hier Teamarbeit ermöglicht?
Erstens, didaktisch: Aus den vielen, vielen Stichwörtern und Aspekten des Strategiepapiers der Kultusministerkonferenz der Bundesländer: „Bildung in der digitalen Welt“ die relevanten Kompetenzen heraussuchen und überlegen: Wie kann das in einem halben, einem ganzen Schuljahr zeitlich klappen?
Was können wir leisten, was sind voraussichtlich, realistisch, diese drei WPU-Kurse in der Lage in Teams zu erreichen?
Zweitens, praktisch: Viel, sehr viel reden, zuhören, beobachten, überlegen, Ansagen machen, mitschreiben, diagnostizieren, wieder überlegen, loben, wohlwollend kritisieren, ermutigen
Einfach Zeit nehmen für Gespräche in Pausen und nach der Schule, Kommunikation per Mail, Telefon Videositzungen. Und das Ganze dann wieder laufend von vorne.
Zentral wichtig aber ist: Vertrauen schaffen. Das ist der Schlüssel zu erfolgreicher Teamarbeit.
Organisatorisch stellt ein ist ein solches Projekt sicher erhebliche organisatorische, zeitliche und finanzielle Anforderungen an die Lehrkräfte. Hatten Sie Partner, die geholfen haben das Projekt zu verwirklichen?
Hier, bei „Zeig, was du kannst“, war unsere selbstgewählte, gewachsene, entwickelte Partnerschaft der Brüder-Grimm-Schule mit den Lions Club Frankfurt Museumsufer, dem Aufnahme-und Beratungszentrum des Staatlichen Schulamtes, dem Medienzentrum Frankfurt und dem Amt für Bildungsforschung und Lehrkräftebildung der Goethe-Uni nur die logische Konsequenz für solch ein Medienprojekt. Unsere „Digitale Runde“, war in vielerlei Hinsicht eine Win-Win-Situation.
Die persönliche und menschliche, finanzielle und zeitliche Unterstützung ist für ein Projekt dieser Größenordnung an einer typischen staatlichen Schule lebensnotwendig
Wie gesagt, solche komplexen Medienprojekte kosten viel Zeit.
Gewinner sind die aktiven und engagierten Schülerinnen und Schüler: Mit ihren Erkundungen, Erlebnissen und gesammelten Erfahrungen.
Sie haben sie sich selbst gezeigt, was sie vielleicht noch nicht können oder aber doch! Das ihr Erfolg.
15.10.2022
Zur Person von Klaus Schiller:
Dipl. Pol. Unterrichtet seit 2002 Mediengestaltung, Informatik und Arbeitslehre an der Brüder Grimm Schule in Frankfurt am Main.
Auszeichnungen u.a. der LPR Hessen/ des Hessischen Kultusministeriums für innovative Medienarbeit in Ganztagsschulen und das Medienkonzept „Handys (r)aus“
HmdJE/ Netzwerk gegen Gewalt.
Das Interview führte Hansjörgen Kuhn
Projektleiter des LIONS Projektes Together-Frankfurt.

2024.01_17. Interview mit Frau Mareike Schäfer. Konrektorin und Kunstlehrerin an der Louise-von-Rothschild-Schule in Frankfurt am Main.


Die Louise-von-Rothschild-Schule ist eine Realschule mit ca. 500 Schüler*innen in Frankfurt am Main. Sie unterrichten Kunst an dieser Schule, seit wann?
Frau Schäfer:
Ich habe meine Stelle als Konrektorin an der Louise-von-Rothschild-Schule im Februar 2018 angetreten. Seitdem unterrichte ich auch das Fach Kunst an unserer Schule. Zuvor war ich 5 Jahre lang Lehrkraft und Fachleitung Kunst an einer anderen Frankfurter Realschule.
Die Louise-von-Rothschild-Schule hat eine enge Partnerschaft mit den Veranstaltern des Projektes „Together Frankfurt“ – also Frankfurter LIONS Clubs.
Im Rahmen dieses Projektes gibt es ein Angebot, welches darauf zielt, Kunst als Mittel zur Persönlichkeitsentwicklung einzusetzen. Sie gestalten dieses Projekt bereits im 5. Jahr in ihrer Schule – warum?

Frau Schäfer:
Ausgangspunkt war der Wunsch von „Together Frankfurt“, dass die verschiedenen künstlerischen Workshops regelmäßiger gebucht werden und nachhaltig einen Beitrag zur Bildung und Entwicklung der Schülerinnen und Schüler leisten. Im Zuge dessen kam die Idee auf, die verschiedenen Einzelangebote als Gesamtpaket für allgemeinbildende Schulen anzubieten und thematisch zu verknüpfen.  Im Austausch mit den Verantwortlichen von Together Frankfurt sowie den WorkshopleiterInnen entstand dann das Format wie es heute angeboten wird. Nach dem ersten Testlauf haben wir dies evaluiert und ein paar Dinge den Inhalt sowie die Zeit betreffend optimiert. Das Projekt haben wir dann nach der Pilotphase aufgrund der positiven Erfahrungen und Rückmeldungen der SchülerInnen fest in unser Schulprogramm aufgenommen. Somit bringen wir die ästhetische Bildung an unserer Schule weiter voran und bieten unseren SchülerInnen ein Format, welches verschiedene Zugänge zur Kunst ermöglicht, welche die SchülerInnen in besonderem Maße ansprechen.
Das Projekt ist im Rahmen eines Wahlpflichtunterrichts (WPU) organisiert. Wie alt sind die Schüler*innen, die an der WPU teilnehmen und was motiviert sie dazu teilzunehmen?
Frau Schäfer:
Die teilnehmenden SchülerInnen sind in der 7. Klasse und zwischen 12 und 14 Jahre alt. Sie können im Rahmen des Wahlpflichtunterrichts entsprechend ihrer persönlichen Neigungen aus drei verschiedenen Kursangeboten einen Kurs auswählen, welchen Sie dann ein Halbjahr lang belegen. Der Großteil der Teilnehmenden wählt diesen WPU-Kurs aufgrund einer persönlichen Affinität zum Fach Kunst. Ein weiterer Einwahlgrund sind die vielen verschiedenen Workshops und außerschulischen Lernorte. Oft wünschen sich die TeilnehmerInnen im Laufe des Kurses noch weitere Workshops oder Besuche außerschulischer Lernorte.
Was sind die Maßstäbe mit denen Sie die Leistung der Schüler*innen in diesem Wahlpflicht-Unterricht bewerten?
Frau Schäfer:
Wie in jedem anderen Unterrichtsfach müssen die SchülerInnen natürlich auch im Wahlpflichtkurs benotet werden. Einen Großteil der Zeugnisnote macht hier die Mitarbeit während der regulären Unterrichtsstunden sowie der Workshops aus. Dazu zählen unter anderem die Beteiligung an Unterrichtsgesprächen, die Präsentation der Arbeitsergebnisse sowie die Arbeitseinstellung während der praktischen Arbeitsphasen. Darüber hinaus werden praktischen Arbeiten der Lernenden bewertet, welche in den regulären Unterrichtsstunden außerhalb der Workshops entstehen. Auch Arbeitsergebnisse aus den Workshops fließen zum Teil in die Benotung mit ein –hier dürfen die Lernenden selbst entscheiden, ob sie eine der daraus entstandenen Arbeiten zur Benotung abgeben möchten. Dies ist bewusst so gewählt, da es in den Workshops vorranging um verschiedene Ausdrucksmöglichkeiten der eigenen Persönlichkeit, persönlicher Werte, Empfindungen, Erfahrungen etc., sprich die Auseinandersetzung mit dem eigenen Ich geht und die SchülerInnen teilen hier viele sehr private Dinge mit. Es gibt daher auch Phasen oder praktische Arbeiten, die bewertungsfrei sind, um ein freieres Ausprobieren zu ermöglichen.
Die einzelnen Workshops verlangen ja eine Reflexion in der Gruppe. Die Schüler*innen sollen erklären, warum sie dies oder jenes gemalt, fotografiert haben. Welche Erfahrungen haben Sie damit gemacht?
Frau Schäfer:
Durch die abschließenden Gespräche im Plenum wird den SchülerInnen ermöglicht, ihren Arbeitsprozess sowie ihre entstandene praktische Arbeit zu reflektieren. Hier wird nicht nur das Ergebnis präsentiert, sondern der Entstehungsprozess dessen und damit verbundene Schwierigkeiten sowie Lösungsansätze erläutert. Die Hürde, dies im Plenum zu präsentieren ist anfangs bei den meisten groß, jedoch finden sich von Mal zu Mal mehr SchülerInnen, welche sich für die Präsentation ihrer Arbeitsergebnisse freiwillig melden. Dies liegt unter anderem an den positiven Erfahrungen aus den Präsentationen der vorangegangen Stunden und dem wertschätzenden, konstruktiven Feedback der MitschülerInnen und WorkshopleiterInnen, aber auch an gestiegenem Selbstvertrauen in die eigene Präsentations- und Reflexionskompetenz.
Werden die Arbeitsergebnisse und Erfahrungen der Workshops in anderen Unterrichtsfächern weiterverwendet, z.B. soziale Fächer oder Fremdsprachenfächer?
Frau Schäfer:
In den Workshops wird teilweise ein hohes Maß an Kreativität, Problemlöse- und Reflexionskompetenz gefordert und die Lernenden stehen vor praktischen Aufgaben, die sehr offen gestaltet sind. Hieran wachsen die TeilnehmerInnen im Laufe des Kurses und können ihre Erfahrungen und neu gewonnenen Erkenntnisse natürlich auch auf andere Fächer übertragen. Auch die Fähigkeit, eigene Arbeitsprozesse und –ergebnisse zu reflektieren und verbalisieren, welche die Lernenden im Kurs weiter ausbauen, ist für andere Unterrichtsfächer von großem Nutzen.
Es gibt bei den Workshops 2 externe Veranstaltungen, Naxosatelier und Goethehaus, wie werden diese „Außer Haus“ Veranstaltungen von den Schüler*innen aufgenommen und beurteilt?
Frau Schäfer:
Außerschulische Lernorte haben per se einen hohen Motivationscharakter und werden von unseren SchülerInnen in der Regel gut angenommen. Originale Kunstwerke, seien es die Graffitis teils weltweit tätiger Sprayer im Naxosatelier oder aber die im Goethe- haus ausgestellten Gemälde etc. haben auf die Lernenden eine besondere Wirkung und faszinieren auch diejenigen, welche zunächst weniger an Kunst interessiert sind. Es ergeben sich daraus zahlreiche und vielfältige Gesprächsanlässe, in denen jedes Mal auf die besonderen Interessen und Erfahrungen der SchülerInnen eingegangen wird. Das Naxosatelier suchten einige Lernenden sogar in ihrer Freizeit nochmals auf, um an dem dort angebotenen offenen Atelier teilzunehmen.
Erfahrungsgemäß werden sich zusätzlich zu den beiden bestehenden noch weitere Besuche außerschulischer Lernorte von den KursteilnehmerInnen gewünscht. Je nach Möglichkeit versuche ich daher, zusätzlich zu den Angeboten von Together Frankfurt, weitere Museumsbesuche mit praktischen Workshop-Teil in den Wahlpflichtkurs zu integrieren. Gute Erfahrungen habe ich hier beispielsweise mit den kunstpädagogischen Angeboten des Städel Museums gemacht, welche sich auch hervorragend zum Thema Persönlichkeitsentwicklung und Identitätsfindung eignen. Ideal wäre, wenn solch ein Angebot auch fest in das Programm des Gesamtpakets von Togehter Frankfurt aufgenommen werden könnte.
Frau Schäfer, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.